Sonntag, 15. Mai 2011

[Rezension] Das lange Lied eines Lebens von Andrea Levy

Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3421044839
Klappentext:
Jamaika, Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie war einst Haussklavin auf der Zuckerplantage Amity und hat bewegte Zeiten hinter sich. Nun, viele Jahre nachdem sich ihre Brüder und Schwestern die Freiheit mit Blut erkauften, drängt es die inzwischen betagte Miss July ihrem Sohn, einem angesehenen Verleger, die Geschichte ihres Lebens zu offenbaren – und ihm zu erklären, warum sie gezwungen war, ihn als Säugling auf den Stufen einer Pfarrei auszusetzen. So beginnt sie mit großer Lust am Fabulieren von jener Zeit zu erzählen, als sie die rechte Hand der Missus auf der Plantage war. Bis der junge Goodwin seine Arbeit als Aufseher aufnahm und für July ein Leben unter anderen Vorzeichen anfing. Die unvergessliche Geschichte einer Emanzipation und zugleich ein erschütternder Bericht über die letzten Tage der Sklaverei, dargeboten von einer Ich-Erzählerin, die uns aufschreien lässt gegen die Unmenschlichkeit, die uns aber immer auch mit ihrem Lachen versöhnt. Denn sie führt uns vor Augen, welche Kräfte der Glaube an Veränderung wecken kann, welche Kraft die Freiheit birgt. 

Der erste Satz:
"Es war vorbei, kaum dass es begonnen hatte."

Was Izzy dazu sagt:
Eine alte Frau schreibt ein Buch über das Leben der jamaikanischen Sklavin July. Ihr Sohn, selbst Verleger, zeigt sich höchst interessiert an der Geschichte und treibt die Mutter stets an, sie niederzuschreiben. Ergebnis ist das Zeugnis und Vermächtnis über die letzte Zeit der jamaikanischen Sklaverei, in deren Zentrum Julie versucht ihr Leben zu bestreiten.
July wächst als Sklavin in Jamaika auf. Ihrer Mutter schon in jungen Jahren entrissen, kennt sie zum großen Teil nur die anderen Haussklaven und ihre egozentrische Herrin, die die junge Frau von einem Ort zum anderen scheucht. Trotz ihrer harten Lebensumstände ist July eine starke Frau, die stets darum bemüht ist, sich auf ihre Weise durchzukämpfen.
Im Verlauf des Buches vermischen sich die Geschichte um Julie und die Welt der Autorin. July ist nicht etwa eine fiktive Figur, sondern erlebt all das, was auch die Autorin als junge Frau erdulden musste.

Aufmerksam bin ich auf dieses Buch aufgrund des wunderschönen Covers geworden. Die türkise Farbe und das Blütenmotiv passen sehr schon zum Setting des Buches, Jamaika. Auch der Inhalt hörte sich sehr spannend an. Es geht um Sklaverei und das Schicksal einer jungen Frau, die diese durchleben muss.
Andrea Levy hat für ihr Buch „Das lange Lied eines Lebens" viel recherchiert. Das wird nicht nur in einem kurzen Portrait zu ihr deutlich, in dem sie sehr sympathisch von der Entstehung des Buches berichtet, sondern auch beim Lesen. Die Kulisse vor der sich Julys Geschichte abspielt, ist authentisch; die Figuren wirken glaubwürdig und haben oftmals kein Blatt vor dem Mund  oder im Allgemeinen die gehobenste Sprache. Doch gerade das zeigt ihren Stand auf, sie sind und bleiben nun einmal Sklaven. Was July während der Geschichte erlebt, ist darüberhinaus aufwühlend. Als Kind wird sie der eigenen Mutter entrissen und muss fortan ohne sie ein Sklavendasein fristen. Was soll es auch, denkt sich ihre neue Herrin, da Sklaven sowieso keine Gefühle haben und somit ihre Kinder nicht vermissen. Solche Szenarien sind nicht selten im Buch zu finden und bilden die traurigsten, aber meiner Meinung nach  auch nachdenklich stimmendsten Stellen. Es ist schockierend mitzuerleben, wie sehr July sich manchmal für ihre eigene Hautfarbe schämt. Zu erfahren, was sie nicht tun würde, um zumindest ihren Kindern zu gewährleisten, nicht mehr als Mensch angesehen zu werden, der kaum mehr Wert ist als ein Tier.  Die eigene Identität ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte, was durch Julies Leben und auch der Beziehung zu ihrem Sohn untermauert wird.
Am bewegendsten war jedoch die Trennung von Familien, gestützt auf Annahmen und Behauptungen, die mich oft zum Kopfschütteln gebracht haben.Umso intensiver wird dieses Gefühl, wenn man sich vor Augen führt, dass die Menschen früher tatsächlich so gedacht haben und wirklich glaubten, dass die ethnische Gruppe und Hautfarbe darüber entscheiden, wie und was man fühlt, geschweigedenn,  was aus einem Menschen werden kann. Manchmal habe ich mich richtig darüber aufgeregt, wenn Julies Herrin wieder die größten Albernheiten von sich gab und gleichzeitig betonte, wie dumm ihre Sklaven doch seien. Diese haben ihre eigene „Bauernschläue“ entwickelt, da Bildung für sie nicht infrage kommt. Auch Julie selbst ist nicht hochgebildet, doch auf ihre eigene Art aufmerksam und clever, was die Geschichte angenehm lesbar macht.
Trotz dieser vielen guten Aspekte, konnte mich das Buch nicht so recht überzeugen. Ich habe sehr lange gebraucht, um es zu lesen, da ich es oft aus der Hand gelegt habe, weil es mich nicht fesseln konnte. Ja, es gibt Stellen, die anrühren, die zum Nachdenken führen, leider aber zu wenige. Das liegt daran, dass July zwar viele schreckliche Dinge widerfahren, sie jedoch meist sehr kalt und nüchtern darüber berichtet. Dann setzt sie eben ihr Kind aus. Na und? Warum sollte sie danach noch einen Gedanken an das Baby verschwenden? Dann stirbt ihre Mutter auf unmenschliche Weise, dann ist das so - das Leben geht trotzdem weiter. Genau das war der Grund, warum Julie mir seltsam fremd blieb.
Die alte July konnte mich auch nicht stärker ansprechen, obwohl das gerade durch ihre direkte Leseransprache, die sich durch das ganze Buch zieht, stark gewollt ist. Stellenweise war die Leseransprache für mich derart anstrengend, dass sie mich aus der Geschichte geworfen hat, hatte ich mich erst eingefunden. Das mag allerdings Geschmackssache sein, denn ich gebe gerne zu, nicht der größte Fan der direkten Leseransprache zu sein - erst recht nicht in solchem Ausmaß. Neben diesem Manko empfand ich die Beziehung von Julie und ihrem Sohn auch als relativ gefühlsarm, was gerade aufgrund ihrer Geschichte unpassend wirkte.

Fazit:
"Das lange Lied eines Lebens" greift ein wichtiges und berührendes Thema auf, das die Autorin stellenweise sehr souverän darstellt. Leider konnte ihre Detailgenauheit und gute Recherche für mich nicht darüber hinwegtrösten, dass die Geschichte um July distanziert und oftmals recht gefühlsarm geschildert wird. Wer sich für das Thema Sklaverei interessiert, kann dennoch zu dem Buch greifen, da es fachlich einwandfrei geschrieben ist und ich mir vorstellen kann, dass es anderen Lesern durchaus gefallen kann. Für mich selber muss ich jedoch sagen, dass es nicht über eine Frage des Geschmacks hinausgekommen ist und mich nicht recht  mitreißen konnte.


Vielen lieben Dank an den DVA-Verlag, der mir das Lesexemplar zur Verfügung gestellt hat.

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