Montag, 18. Oktober 2010

[Rezension] In die Wildnis von Jon Krakauer

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Im September 1992 fanden Elchjäger in Alaska eine Leiche in einem alten Bus, der auch heute noch in der Wildnis steht. Wer ist der Tote? Warum ist er gestorben und was tat er alleine mitten im Nirgendwo, in der unbarmherzigen Natur?

Jon Krakauer hat es sich mit diesem Buch zur Aufgabe gemacht Licht in die Geschichte des Toten zu bringen. Wir begleiten den Autor auf seiner Spurensuche und erfahren, dass der junge Mann Chris McCandless heißt und gerade mit großem Erfolg sein Studium abgeschlossen hat. Er kommt aus einer gut situierten Familie und war nicht eben arm, als er sich in seinem alten Auto auf die Reise begeben hat. Er spendete sein Erspartes einer Wohltätigkeitsorganisation und verbrannte sein restliches Bargeld. Doch nicht nur seine Besitztümer lässt er hinter sich, auch mit seiner Familie spricht er nie wieder ein Wort. Sein Auto lässt er irgendwann zurück und ist schließlich nur noch zu Fuß unterwegs, trampt durch den Westen Amerikas. Dabei lernt er viele unterschiedliche Menschen kennen, deren Leben er berührt oder sogar verändert. Zum Beispiel den Farmer Wayne, für den er einige Zeit arbeitet. Oder den alten Ron Franz, der Chris sofort in sein Herz schließt und ihn wie einen Enkel liebt. Viel Zeit verbringt Chris aber auch allein, in der Wüste oder in einem Kajak. Bis er schließlich in den Norden aufbricht. In sein großes Alaska-Abenteuer, wie er es nennt. Welche Sehnsucht zieht ihn dorthin? Was veranlasst einen erfolgreichen und intelligenten jungen Mann alles hinter sich zu lassen und sich in die Wildnis zu begeben, ohne Karten, denkbar schlecht vorbereitet? War er einfach nur ein idealistischer, romantischer Spinner? Oder steckt mehr hinter seinen Taten? Wohlmöglich Sehnsucht? Eine Flucht? Und woran ist seine Reise am Ende gescheitert?

Diese Fragen ziehen sich durch das ganze Buch. Anhand von Tagebucheinträgen, die man bei Chris‘ Leiche gefunden hat, Gesprächen mit den Menschen, denen er auf seiner Reise begegnet ist, und die ihn kannten, rekonstruiert Jon Krakauer die Lebensgeschichte von Chris McCandless. Je mehr man liest, desto mehr hat man das Gefühl Chris vielleicht ein bisschen zu verstehen. Der Autor schafft es, aus Chris mehr als eine Leiche in einem Bus in Alaska zu machen. Am Ende ist er zu seiner sympathischen Persönlichkeit geworden, ein Mensch mit echten Emotionen und einer Geschichte, den man gerne verstehen möchte. Und auch wenn Krakauer am Ende die Fragen nach dem warum nicht mit Gewissheit beantworten kann, schafft er es doch Verständnis zu wecken. Denn wer hat nicht schon einmal davon geträumt aus der Gesellschaft auszusteigen, wenigstens für eine Zeit, sich aufzumachen, raus aus dem Alltag, aus seiner eigenen Welt? Chris hat dies mit einer Konsequenz umgesetzt, die nur wenige Leute besitzen. Ob er nun mutig oder einfach nur ein Idiot war, wird wohl jeder für sich selbst entscheiden müssen.

Ich gebe für dieses Buch eine klare Leseempfehlung. Entgegen meiner Erwartungen war es sehr spannend geschrieben. Seite um Seite liest man, immer in Erwartung dessen, was diese faszinierende Persönlichkeit im Leben angetrieben hat. Die Gewissheit, dass man hier eine wahre Geschichte liest, macht das Buch nur noch bewegender, ohne zu sentimental zu werden.

Es hat mich auf jeden Fall zum Nachdenken angeregt und selbst drei Wochen, nachdem ich es nun zu Ende gelesen habe, sinniere ich immer noch über Chris und seine Sicht auf die Welt nach. Ein Buch, dass man so schnell nicht vergisst!



Taschenbuchausgabe: 301 Seiten, Piper Verlag, ISBN: 978-3-492-25067-2
Titel Originalausgabe: Into the Wild

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Link zur Seite der Verfilmung von Sean Penn, die ebenfalls wunderbar gelungen ist, mit einem tollen Emile Hirsch in der Hauptrolle (englisch): www.intothewild.com

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