5 Fragen an Antonia Michaelis
1. Was
bewegt Sie dazu, über solch ernste Themen wie häusliche Gewalt oder
Vergewaltigung zu schreiben?
Na ja,
man kann eigentlich nicht die ganze Zeit über die hübsche Natur und die netten
Menschen schreiben, oder? Letzteres gibt es nämlich gar nicht.
Ich
lebe in einer Gegend mit ziemlich vielen Problemen – Arbeitslosigkeit,
Perspektivlosigkeit Jugendlicher, Rechtsextremismus, häusliche Gewalt … ich
arbeite zum Beispiel an der Förderschule Wolgast an einem Musicalprojekt mit,
(guckt mal auf meiner Webseite bei der gelben Sonne links) viele Erfahrungen
habe ich aus dieser Arbeit mit Schülern aus dem „Milieu“ (furchtbares Wort). Es
ist einfach leider realistischer, über Problemthemen zu schreiben als über
ideale Welten. Nicht jeder will realistischen Kram lesen, Bücher müssen ja auch
zum Ausspannen sein – sehe ich ein.
2. Sind die Charaktere und Handlungen alle frei erfunden oder von realen Personen und Geschehnissen inspiriert?
2. Sind die Charaktere und Handlungen alle frei erfunden oder von realen Personen und Geschehnissen inspiriert?
Für
mich sind alle meine Charaktere real, aber das ist natürlich leeres Gerede. Die
meisten sind aus mehreren realen Charakteren und einer Portion ICH
zusammengesetzt. Die ICH-Portion stört wahrscheinlich immer, weil ich einen
wirklich chaotischen Charakter habe, da heißt es dann immer: "Der Protagonist
handelt jetzt aber nicht so wie die meisten anderen handeln würden." - Ja, das stimmt.
3. Haben Sie Ratschläge für Betroffene?
3. Haben Sie Ratschläge für Betroffene?
Klar,
ich kann alle Probleme der Welt mit einem Fingerschnipsen lesen. Schreibt mir
Eure Fragen, Ihr kriegt die Patentlösung!
Nein.
Ich maße mir so etwas nicht an. Ich zeige in meine Büchern oft, wie es SCHIEF
gehen kann (was häufig falsch verstanden wird). Ich warne. Ein bisschen.
Wichtig
ist bei Gewalt zu allererst natürlich, mit anderen darüber zu reden. Aber
welches Gewaltopfer wagt das schon? Es ist an uns, den anderen, rechtzeitig
hinzusehen, zu fragen – oder auch gar nichts zu fragen und zu helfen.
4.
Welche
Szenen fallen Ihnen besonders schwer zu schreiben?
Welche
Gewaltszenen? Hm. Ich finde es ehrlich gesagt sehr viel schwerer, über Gewalt
zu lesen als sie zu beschreiben. Wenn ich schreibe, bin ich Herr der Situation,
ich kann notfalls aussteigen und Abstand schaffen. Beim Lesen ist das nicht so.
Murakamis Folterszenen sind aus meinen Büchern herausgerissen (peinlich, ja),
damit ich sie nicht aus Versehen irgendwann doch lese, denn dann träume ich.
Bei
den Worten der Weißen Königin hab ich schon selbst zwischendurch ganz schön
geschluckt, aber dann eher später beim Korrekturlesen. Ähnlich bei Szenen in
„Paradies für Alle“ …
Psychische
Gewalt ist hier immer schlimmer als physische. Ich habe ja Medizin studiert,
und Szenen wie Jari aus der Nachtigall, der die Leiche des Försters zu
entsorgen versucht, sind für jemanden, der Leichen von innen kennt, fast schon
eher lustig … da gibt es eine Szene, wo jede Farbe der Innereien mit etwas
Essbarem verglichen wird … also, tja, manchmal mache ich auch Unsinn, weil man
mal lachen muss bei all den Problemen auf der Welt.
5. Haben Sie eine Lebensphilosophie?
5. Haben Sie eine Lebensphilosophie?
Ja.
Niemals meine Lebensphilosophie in Interviews preiszugeben :-)
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