Freitag, 12. August 2011

[Rezension] Leviathan – Die geheime Mission von Scott Westerfeld

Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Verlag: cbj
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3570139691
Der Inhalt wenigen Sätzen:
Am 28. Juni 1914 verändert sich das Leben von Prinz Aleksandar für immer, als seine Eltern in Serbien umbegracht werden. Aleksandar selbst hat keinen Anspruch auf den österreichisch-ungarischen Thron, den sein Vater ihm hinterlässt. Dennoch flieht er zusammen mit einigen Verbündeten vor dem Mördern seiner Eltern und versucht sich in die neutrale Schweiz zu flüchten.
Deryn Sharp möchte nichts sehnlicher als Kardett im British Air Service zu sein. Doch als Mädchen ist ihr das verboten. Davon lässt sie sich allerdings nicht abhalten und schleust sich, verkleidet als Junge, beim Air Service ein. Als die Lage sich zuspitzt und Krieg immer wahrscheinlicher wird, kreuzen sich die Wege von Aleksandar und Deryn. Sie ahnen nicht, dass beide von ihnen Geheimnisse mit sich tragen.
*Leseprobe*

Der erste Satz:
„Die österreichischen Pferde glänzten im Mondlicht, die Reiter standen aufrecht in den Steigbügeln und reckten ihre Schwerter in die Höhe.“

Ansatz:
Ein Stück Zeitgeschichte neu geschrieben. Was führte wirklich zum Ausbruch des ersten Weltkrieges?

Was Izzy dazu sagt:
In der Welt von Leviathan ist Europa aufgeteilt in zwei Lager. Den Darwinisten, die basierend auf Lebensketten Tierkreuzungen züchten, worunter auch das lebendige Luftschiff Leviathan fällt. Und den Mechanisten, die – für dieses Genre üblich – auf Maschinen und teilweise Dampfkraft setzen.
Die Situation zwischen diesen beiden Fronten ist schon länger angespannt und findet seinen Grund zur Entladung durch das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand von Össterreich-Ungarn. Aleksandars Vater.
Bis hier her hat Scott Westerfeld seine Hausaufgaben gemacht. Franz Ferdinands Geschichte und die Gründe für den Ausbruch des ersten Weltkrieges gut recherchiert. Doch ab dem Auftauchen von Alek, den es geschichitlich nie gegeben hat, kreiert Westerfeld eine alternative Zeitgeschichte, die vor Komplexität und Ideenreichtum nur so sprüht. Alles beginnt mit Aleksandars Flucht, die gekonnt die politischen Hintergründe und Geflechte dieser Zeitlinie aufdeckt, die Unterschiede zwischen Darwinisten und Mechanisten aufzeigt und authentisch eine neue Welt des Jahres 1914 errichtet. Der Reiz des Buches liegt darin, dass es so gut recherchiert und dargestellt ist, dass man es schon aufgrund des Weltenbaus, nicht aus der Hand legen möchte. Hier hat Scott Westerfeld wirklich sehr viel liebe zum Detail bewiesen, neben der Fähigkeit historische Ereignisse mit fantasievollen Elementen zu etwas Neuem zu verknüpfen.

Doch nicht nur der Weltenbau ist äußerst gelungen, denn auch die Protagonisten haben einiges zu bieten. Leviathan wird abwechselnd von Aleksandar und Deryn erzählt, die ziemlich unterschiedlich sind. Aleksandar, auf der Flucht und gerade Waise geworden, ist von den beiden der sensiblere und, was ihn mir am sympathischsten machte, der, der mehr Fehler macht. Nachdem er Jahre als Sohn eines einflussreichen Mannes gelebt hat, kann er seinen Stolz und Status nicht von jetzt auf gleich untergraben, was dazu führt, dass Alek sich öfter verrät, als ihm lieb ist. Trotz dieser kleinen Schwäche, oder gerade wegen ihr und seiner Unfähigkeit zu lügen, die man im Verlauf das Buches kennenlernt, ist er mir immer mehr ans Herz gewachsen. Sein schönster Charakterzug, und aufgrund seines Standes nicht selbstverständlich, ist jedoch, dass Aleksandar nicht möchte, dass andere Menschen sich für ihn opfern. Er versucht zu vermitteln und Opfer so gering wie möglich zu halten.
Deryn hingegen ist auf den ersten Blick ein richtiges Raubein. Sie flucht, kämpft versessen und lässt sich durch nichts unterkriegen. Damit imponiert sie auch Alek gehörig, der im Buch erwähnt, mehr so ein Kerl sein zu wollen wie Deryn, was aufgrund der Sachlage extrem amüsant ist. Es spricht allerdings dafür, dass Deryn sich extrem gut als Junge verkauft (ohne herumzujammern, weil sie Angst hat, entdeckt zu werden) – manchmal schon zu gut, gibt es doch kaum Szenen, in denen sie nicht großspurig ist und wenige, in denen sie nicht flucht. Deryns Liebe zu ihrem Vater und allem, was er ihr über das Fliegen beigebracht hat, verleihen ihr allerdings eine weichere Seite. Ihr Charakter hat trotzdem mehr Ecken und Kanten als Aleks, vielleicht ist es gerade das, was sie so gut harmonieren lässt. Denn allein die Szene, in der die zwei sich zum ersten Mal begegnen, finde ich wunderbar, weil es zwischen diesen Charakteren sofort zu passen scheint. Alek und Deryn ergänzen sich, ohne aufdringlich zu sein, was sie umso lesenwerter in gemeinsamen Szenen macht.
Generell versteht Scott Westerfeld sich auf das Zusammenspiel seiner Figuren. Keiner wirkte auf mich wie eine leere Hülle, die einfach Mittel zum Zweck war. Innerhalb ihrer Rollen bleiben alle glaubwürdig. Sei es Dr. Barlow, die als Frau und Wissenschaftlerin daran gewöhnt ist, sich zu behaupten. Oder der spitzfindige Graf Volger, nun verantwortlich für Aleks Sicherheit, der stets einen Plan zu haben scheint.

Scott Westerfelds Leviathan bringt alles mit, um ein gutes Buch zu sein. Eine wunderbar ausgearbeitete Welt, die ihre eigene Geschichte vor den Hintergründen unserer eigenen spinnt. Es gilt zusammen mit den gut ausgearbeiteten Charakteren viele Abenteuer zu bestehen und einiges zu entdecken. Abgerundet wird alles durch einen spannenden Schreibstil, der angenehm flüssig zu lesen ist. Am Ende bleiben noch einige Fragen offen und ich kann es kaum erwarten den zweiten Band Behemoth zu lesen, um wieder in diese Welt eintauchen zu können.

Besondere Erwähnung muss – wirklich muss – hier auch die Gestaltung des Buches finden. Nicht nur das Cover ist ein richtiger Hingucker, denn Leviathan sprüht auch vor wunderschönen Szenen-Illustrationen von Keith Thompson. Diese könnt ihr *hier* (wenn ihr nach unten scrollt) auf der Homepage des Autors bewundern.


5 Kommentare:

Karo hat gesagt…

*auf Wunschliste pack*
Kennst Du schon die Magierdämmerung von Bernd Perplies? Sehr empfehlenswert, was Steampunk angeht!

Erdbeere hat gesagt…

Ich hatte das Buch schon in meinem Wagenkorb gepackt und dann wieder raus genommen, weil ich Angst hatte, es könnte sich an jüngere richten.
Aber mir scheint, es muss ganz gut sein, oder?

;)

Karo hat gesagt…

@Strawberry: Meinst Du jetzt Leviathan oder Magierdämmerung? :)

Erdbeere hat gesagt…

Eigentlich meinte ich Leviathan. ;)

Izzy hat gesagt…

@Karo:

Juhuuu!
Ja, Magierdämmerung kenne ich - zumindest den ersten Band - hoffe, dass die anderen bald folgen. Dazu wird hier auch noch etwas kommen.:)

@Strawberry:

Leviathan ist der Wahnsinn! Heute werde ich auch noch meine Rezi zum zweiten Band Behemoth posten, was mich auch sehr begeistert hat.
Ich habe in letzter Zeit ziemlich viele Steampunk Bücher gelesen, aber die von Scott Westerfeld waren mit (meilenweitem) Abstand die besten.
Magierdämmerung ist aber auch sehr gut, um Karo zuzustimmen.^^

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