*Leseprobe*
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Zum ersten Mal ist Alex so richtig verliebt, in Cole, den Neuen an ihrer Schule, dem sie Nachhilfe gibt. Schon bald werden sie ein Paar und die Stunden mit Cole sind für Alex die schönsten, die sie je hatte. Er ist sehr liebevoll und romantisch, spielt ihr zum Beispiel eigene Songs auf der Gitarre vor, und ständig macht er ihr irgendwelche tollen Geschenke.
Doch er hat auch eine andere, eine dunkle, aggressive Seite. Immer häufiger kommt sie zum Vorschein, doch so sehr ihre Freunde Alex auch warnen und so sehr sie selbst mit Zweifeln kämpft, sie schafft es einfach nicht, von ihm loszukommen. Ihre Liebe ist zu blind und zu groß.
Stattdessen manövriert sie sich selbst mehr und mehr ins Abseits, schiebt ihre Familie und Freunde von sich weg und findet sich schließlich mutterseelenalleine in einem Teufelskreis wieder, aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herauskommen kann ...
Der erste Satz:
Es gab ein Wort, das wirklich passte auf meine beste Freundin Bethany: hartnäckig.
Das sagt Lucy:
Schon den ersten Roman von Jennifer Brown, Die Hassliste (Izzys Rezi dazu findet ihr übrigens hier ), fand ich unglaublich berührend und gut; er gehört zu jenen, die einem auch Jahre danach noch in Erinnerung sind und die es einem eiskalt den Rücken hinunterlaufen lassen. Und ebenso erging es mir mit ihrem zweiten Roman Bitter Love, in dem die Autorin ein weiteres unangenehmes, aber leider stets aktuelles Thema beleuchtet: Gewalt in der Beziehung.
Es geht um Alexandra Bradford, ein eher zurückhaltendes, nettes Mädchen mit einer Familiensituation, die ihr sehr zu schaffen macht. Ihre Mutter verunglückte tödlich, als sie noch ein Kind war, und ihr Vater ist seither nicht mehr derselbe. Es fällt ihm schwer, die Familie (Alex und ihre beiden Schwestern) zusammenzuhalten und der emotionalste, liebevollste ist er auch nicht. Außerdem haben sie finanzielle Probleme, sodass Alex sehr viel arbeiten muss, um sich ihre Wünsche zu erfüllen. Bei ihren besten Freunden Bethany und Zack, in der Lyrik und im Schreiben eigener Gedichte findet sie Zuflucht. Doch trotzdem, irgendetwas scheint Alex zu vermissen.
Dann macht sie Bekanntschaft mit Cole Cozen, der erst vor kurzem umgezogen und neu an ihrer Schule ist. Sie gibt ihm Nachhilfe, sie nähern sich an, unterhalten sich lange und gut, er mag ihre Gedichte, macht Songs daraus, die er ihr auf der Gitarre vorspielt ... und langsam entwickelt sich eine süße, alltägliche High-School-Romanze. Alles scheint perfekt und rosarot, bis auf einmal Coles andere Seite zum Vorschein kommt. Auf einmal ist er wegen jeder Kleinigkeit gereizt, wird gemein und verletzend zu Alex' Freunden und ihr selbst und besteht darauf, sie ganz für sich alleine haben zu wollen. Und letztlich schafft Cole es nicht nur, die gute Beziehung zu ihren Freunden ins Wanken zu bringen, sondern er wird auch so rasend, dass er handgreiflich wird und Alex weh tut.
Immer häufiger gebraucht Cole Gewalt, um seinen Willen durchzusetzen, und Alex ist so verängstigt und immer noch so verliebt, dass sie es mit sich machen lässt. Bis sie ein paar Mädchen aus Coles alter Schule trifft, die ihr ein paar grausame Details erzählen ...
Bitter Love ist kein Ratgeberbuch (lediglich im Nachwort finden sich einige Ratschläge und Bemerkungen zu dem Thema), es beschreibt einfach nur die Situation und Gefühle einer betroffenen Person und ist dabei so ehrlich und realistisch dargestellt, dass man sich als Leser sehr schnell mit im Geschehen des Buches befindet. Es ist eine Geschichte, die einen gefangen nimmt und die einen nicht drum herum kommen lässt, über dieses ernste Thema nachzudenken.
Natürlich stellt man sich hierbei auch die Frage, warum Alex, warum - verdammt noch mal - so viele Betroffene so lange ihren Mund halten; warum sie sich nicht wehren; warum sie so mit sich umgehen lassen; warum sie die Schuld auch noch bei sich suchen und sich einfach nicht helfen lassen. Und dann aber beschäftigt man sich während des Lesens länger und ausführlicher mit der Protagonistin und ihrer Situation und auch wenn man sich natürlich immer noch die oben genannten Fragen stellt, fängt man trotzdem an zu verstehen, weil es so feinfühlig und echt geschrieben ist.
Und man fragt sich zweifelnd: Hätte ich selbst den Mut, sofort zur Polizei oder zur Familie oder zu Freunden zu gehen? Ich kann diese Frage nicht mit Gewissheit mit Ja beantworten; ich denke immer noch darüber nach und es zieht sich alles in mir zusammen, wenn ich an Sätze wie diese hier aus dem Buch denke:
"Er schlüpfte durch die Tür uns schloss sie leise hinter sich – und plötzlich war ich allein. Und da spürte ich den Schmerz mit voller Wucht.
Mein Handgelenk.
Meine Hüfte.
Mein Kopf.
Mein Nacken.
Doch nichts von alledem schmerzte so sehr wie mein Herz.
Wie konnte das der Junge sein, dessen Hand beim Gitarrespielen so sanft auf meiner gelegen hatte? Der Junge, der aus meinem Gedicht einen Song gemacht hatte?" (S.221)
Mein Handgelenk.
Meine Hüfte.
Mein Kopf.
Mein Nacken.
Doch nichts von alledem schmerzte so sehr wie mein Herz.
Wie konnte das der Junge sein, dessen Hand beim Gitarrespielen so sanft auf meiner gelegen hatte? Der Junge, der aus meinem Gedicht einen Song gemacht hatte?" (S.221)
Die Charaktere sind allesamt sehr authentisch dargestellt. Ich habe Alex und ihre Freunde sehr lieb gewonnen; insbesondere Zack, der mich sooft zum Lachen bringen konnte mit seinen dreckigen Witzen oder seinen Albernheiten. Und auch wenn ich keine näheren Erfahrung mit solchen Gewalttätern habe, finde ich, dass Jennifer Brown insbesondere Cole sehr sehr realistisch beschrieben hat.
Außerdem habe ich es als sehr wirklichkeitsnah empfunden, dass Cole sich einen Charakter wie Alex "heraussucht" hat und dass sich das Buch eben nicht ausschließlich auf das Thema Gewalt in einer Beziehung versteift hat, sondern das Ganze eingebettet war in eine Geschichte über die Freundschaft und ein Familiendrama.
Ich habe dieses Buch in einem Rutsch durchgelesen, konnte es auf meiner fünfstündigen Zugfahrt von Izzy zu mir nach Hause absolut nicht aus der Hand legen. Einen halben Wombat Abzug gibt es eigentlich bloß, weil mir Die Hassliste noch einen Tick besser gefallen hat.
Ich hoffe auf ein weiteres Buch der Autorin über ein solch ernstes Thema. Bis dahin kann ich ihre beiden bisher erschienen Werke nur jedem ans Herz legen.
Fazit:
Dafür, dass Jennifer Brown es versteht, über Problemthemen zu schreiben; dafür, dass sie aufrichtig und realistisch schreibt und man mit ihren Protagonisten gleichzeitig total leiden und sie gleichzeitig an den Schultern packen und wachrütteln möchte; dafür, dass man als Leser ganz tief drinnen gepackt und zum Nachdenken gezwungen wird; für all das gibt es von mir 5,5 Wombats.
4 Kommentare:
Ohhhh, ich hab von der Autorin "Die Hassliste" gelesen und mir war gar nicht so wirklich bewusst, dass es ein neues Buch von ihr gibt. Das muss aber sehr schnell den Weg zu mir finden.
@ Tine: Dem kann ich nur zustimmen! :-)
Wunderbare Rezension - von Jennifer Brown wollte ich auch schon immer mal was lesen und du hast mir total Lust auf das Buch gemacht! Themen wie Gewalt in der Beziehung sind wichtig und werden oft tot geschwiegen, weshalb ich das Thema äußerst interessant finde. Danke für den Tipp, danach halte ich im nächsten Buchladen auf jeden Fall Ausschau!
@ Sonne: Ich kann dir beide Bücher von ihr nur empfehlen. Sie hat wirklich ein Händchen dafür über so ernste Themen, die oft totgeschwiegen werden, zu schreiben. Sie macht das sehr lebensnah und ehrlich. Ich hoffe, das Buch ist bald in deinen Händen und du hast Spaß (wenn man das in dem Fall so nennen darf) beim Lesen.
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