Donnerstag, 13. Juni 2013

[Rezension] Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes

Der Inhalt in wenigen Sätzen:
Louisa Clark, genannt Lou, ist 26 als sie ihren Job in einem Cafe verliert. Schnell muss etwas Neues her, denn Lou muss ihre Familie finanziell unterstützen. Nach einigen Fehlschlägen bekommt sie eine gutbezahlte Stelle, die sie eher widerwillig annimmt. Sie soll sich ein halbes Jahr um den Tetraleptiker Will Traynor kümmern.
Will, früher charmanter Lebemann und daran gewohnt alles zu bekommen, was er möchte, ist seit einem schweren Unfall vor zwei Jahren ein gebrochener Mann, der nur noch eines möchte: sterben.

Buchtrailer:


Der erste Satz:

„Als er aus dem Bad kommt, ist sie wach, hat sich gegen das Kopfkissen gelehnt und blättert durch die Reiseprospekte, die neben seinem Bett gelegen haben.“



Was Izzy dazu sagt:
Die Ausgangssituation dieses Buches verspricht eine eher tragische Handlung. Denn nach den ersten hundert Seiten stellten sich mir so einige Fragen. Wie geht man mit dem Wunsch eines schwerbehinderten Menschen um, der keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht? Kann man dafür sorgen, dass derjenige die Möglichkeit sieht, auch mit einer derart schweren Krankheit zufrieden weiterzuleben? Darf man über seinen eigenen Tod entscheiden, wenn die Option weiterzuleben zu unerträglich erscheint? Das sind natürlich die vordergründigen Fragen des Romans. Jojo Moyes versteht es dabei richtig gut, niemals eine Beurteilung abzuliefern, niemals den Zeigefinger zu erheben, um den Leser in eine bestimmte Richtung zu schubsen. Wills Lage ist unglaublich verzwickt und während des Lesens konnte ich beide Seiten und das Für und Wieder seiner Entscheidung sehr gut verstehen.
Die Ohnmacht und stille Hoffnung seiner Familie, die nicht glauben kann, dass jemand sein Leben freiwillig beenden möchte und alles daran setzt, ihn umzustimmen. Aber auch die Entschlossenheit von Will ein einziges Mal wieder für sich selbst zu entscheiden. Gerade da er ein Charakter ist, der Zeit seines Lebens das nahm und bekam, was er wollte. Diese komplette Kehrtwende zu einem Menschen, der ständig auf die Hilfe anderer angewiesen ist, Schmerzen hat und nicht weiß, ob seine Erkrankung sich in den nächsten Jahren nicht noch verschlimmern wird; dieser absolute Kontrollverlust, zermürbt ihn. Seine Lage wird ohne Kitsch dargestellt und macht das Ganze sehr real. Ich konnte mir Will bildlich vorstellen, wie er einsam in seinem Anbau sitzt und darüber nachdenkt ,ob er leben oder sterben möchte.

Neben diesem Grundkonflikt gibt es noch andere Themen, die angesprochen werden. Lous Angst, etwas aus sich zu machen. Ihr ständiges auf der Stelle treten und einigeln, um bloß an bekannten Mustern und Gewohnheiten festzuhalten zum Beispiel. Ich persönlich konnte sie in einigen ihrer Denkmuster sehr gut verstehen und konnte mich dadurch von der ersten Seite an sehr gut mit Lou identifizieren. Genau wie Will war sie von Beginn an sehr lebendig und präsent in meinem Kopf.

Als diese zwei völlig unterschiedlichen Menschen dann aufeinandertrafen, hatte das Buch mich entgültig. Die Autorin versteht es, ihre Charaktere durch Gesten oder ihre Interaktion mit anderen Personen zu zeichnen. Durch diese wunderbare Fähigkeit ist Lous und Wills Annäherung berührend, doch nie sentimental oder klischeehaft, und gerade darin liegt meiner Meinung nach die Stärke ihrer Beziehung.
Sie verändern sich durch den anderen, erweitern ihre Horizonte oder lernen wieder zu lachen, aber nie auf übertriebene Weise. Alles, was Will und Lou an sich (wieder)entdecken war schon immer ein Teil von ihnen, der entweder geschlummert hat oder unter einem Berg von Kummer und Wut begraben lag. Es ist einfach schön zu lesen, wie sie sich annähern, anders kann ich es nicht beschreiben.

Am meisten beeindruckt hat mich allerdings Lous leise Metamorphose von einer jungen Frau, die nichts mit ihrem Leben anzufangen weiß und sich kaum etwas zutraut, zu einer jungen Frau, die voller Hingabe versucht einem anderen Menschen das Leben zu retten und dadurch schlussendlich erkennt, was sie wirklich erreichen kann. Ich muss ehrlich sagen, das war eine der schönsten Reisen, die ich bis heute mit einem Buchcharakter miterleben durfte. Ich habe mit Lou mitgefiebert; mich gefreut, wenn sie einmal für sich und ihren Willen einstand; mit ihr gezweifelt, wenn sie nicht weiterwusste.

Zur Handlung an sich werde ich hier weiter nichts verlieren, da ich niemanden spoilern möchte. Ich kann aber soviel sagen, dass ich sie rundum gelungen finde und mich während des Lesens nie gelangweilt habe, oder es schaffte, das Buch für einen längeren Zeitraum aus der Hand zu legen.

Fazit:
Ein ganzes halbes Jahr ist eine Hommage an das Leben; eine Erinnerung daran, zu was man alles fähig ist, wenn man sich dazu entschließt; aber auch eine leise Frage danach, wie weit die Bestimmung des eigenen Lebens gehen sollte.
Das Buch hat mich restlos begeistert und ich kann es nur jedem ans Herz legen, der nicht davor zurückschreckt eine Achterbahnfahrt der Gefühle zu erleben und das Schicksal von Lou und Will zu verfolgen (und eigentlich allen anderen auch;)).



Und hier noch ein kurzes Interview von Jojo Moyes, in dem sie mehr über die Entstehung des Buches, die Geschichte und Charaktere erzählt:


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