Liebe, das Gefühl bei dem Freud und Leid so nahe beieinander liegen, wie sonst kaum, ist die größte Gefahr in der Gesellschaft in der Lena lebt. Amor deliria nervosa brachte die Leute vor der Prozedur um den Verstand, führte zu Krieg und allen möglichen anderen Krankheiten. Doch in Lenas Welt kann man sich vor diesem Risiko schützen, indem man sich einer Operation am Hirn unterzieht. Noch 95 Tage und auch Lena ist sicher. Knappe 18 Jahre hat sie auf diesen Tag gewartet und ihn herbeigesehnt. Jahre, in denen sie von der Angst verfolgt wurde, der Krankheit irgendwann zum Opfer zu fallen und so zu werden, wie sie es nie sein wollte: wie ihre Mutter.
Der erste Satz:
"It
has been sixty-four years since the president and the Consortium
identified love as a disease, and forty-three since the scientists
perfected a cure."
Was Izzy dazu sagt:
Ganz einfach finde ich es nicht, meine Meinung zu Lauren Olivers neuem Buch in Worte zu fassen. Die Geschichte konzentriert sich, insbesondere zu Beginn, sehr stark auf Lena und ihr Innenleben. Sie ist diejenige in ihrer Familie, die stets gehorsam ist und alles versucht, um nicht negativ aufzufallen. Lena hält sich lieber im Hintergrund und möchte die Zeit, die ihr bis zur Behandlung bleibt, schnell hinter sich bringen. Nur noch 95 Tage und sie kann die Gerüchte um ihre Person und die Zweifel, die ihr entgegengebracht werden, endgültig zerschlagen. Die meisten in ihrem Umfeld wissen, dass Lenas Mutter drei Mal behandelt werden musste, und schlussendlich sogar lieber den Tod wählte, als die Liebe zu Lenas Vater aufzugeben. Lena selbst lebt aufgrund dieser Schande im ständigen Bemühen alles zu tun, um normal zu wirken. Sie spricht kaum mit Jungen, hilft ihrer Tante wo sie kann und ist sonst sehr zurückhaltend. Sie ist freiwillig eine Durchschnittsperson, oder das In–between–girl, wie sie sich selbst oft nennt.
Doch an einem der wichtigsten Tage ihres Lebens tanzt Lena zum ersten Mal aus der Reihe. Ihre sonst so überlegten Handlungen werden einmal nicht von ihrem Verstand, sondern von ihrem Gefühl bestimmt. Panisch über diesen neuen Zug an sich, bemüht sich Lena nur noch stärker, die Zeit bis zur Behandlung hinter sich zu bringen. Aber dann tritt Alex in ihr Leben, ganz unerwartet und so kurz vor Lenas langersehnten Ziel: einem Leben in Sicherheit, jedoch ohne Liebe. Alex ist bereits geheilt, stellt also keine Gefahr für Lena dar, sich bei ihm infizieren zu können. Trotzdem wird es für sie stetig gefährlicher sich mit ihm zu treffen. Was nur bedingt an Alex’ Einstellung der Behandlung gegenüber liegt, als vielmehr daran, dass sie sich immer sicherer wird an Amor deliria nervosa zu leiden. Aber ist es wirklich so fatal einen Menschen zu lieben? Ist es tatsächlich das schlimmste, das einem Menschen geschehen kann? In weniger als 95 Tagen lernt Lena, dass die Liebe ganz anders ist, als sie immer glaubte. Plötzlich fühlt sie sich nicht mehr durchschnittlich, möchte es auch gar nicht sein. Sie weiß, die Gefühle für Alex haben sie verändert, aber nicht auf die Weise, die sie erwartet hätte.
Wie kann es also sein, dass eine komplette Gesellschaft propagiert ein gefühlloses Leben unter vollkommener Kontrolle zu führen? Alle versinken in Kälte und Desinteresse. Die Frage ist nur, wieso fällt niemandem auf, wie falsch das ist?
Lauren Olivers Welt, die sie angelehnt an unsere eigene, für Delirium erschaffen hat, entfaltet sich nur langsam. Während des Lesens hatte ich oft ein Gefühl des Unbehagens, wenn Lena mehr über das Portland in dem sie lebt erzählt. Dabei erscheint diese Welt nicht von vorneherein schlecht. Kriminalität, Scheidungen oder Kriege gibt es kaum. Alles ist geregelt und friedlich. Zumindest auf den ersten Blick. Denn je mehr die Geschichte voranschreitet, desto deutlicher wird, zu welchem Preis diese Friedlichkeit erkauft wurde. Die Menschen sind gefühllos, ja schon teilnahmslos. Es ist eine Gesellschaft, in der Eltern ihre Kinder zum Trösten nicht in den Arm nehmen dürfen, oder es nach der Behandlung nicht einmal mehr in Erwägung ziehen. Aber die Leben der Menschen sind nicht nur durch Eintönigkeit gezeichnet, sondern durch etwas anderes: Angst. Angst vor allen, die zu ihren Gefühlen stehen und sich nicht von der Krankheit Liebe heilen lassen wollen.
Lena erwähnt oft, wie gerne sie ihrer Freundin Hana umarmen möchte, ihr sagen möchte, dass sie sie mag. Im selben Atemzug räumt sie aber auch ein, dass das nicht geht.
Es ist schmerzlich mitzuerleben, was Lena unterlassen muss, was einem als Leser selbstverständlich vorkommt. Gleichzeitig ist es auch erschreckend, wie realistisch diese Welt manchmal anmutet. Ich konnte mir sogar vorstellen, dass Menschen zu so etwas fähig wären, um Ordnung zu schaffen. Willkürliche Gewalt, permanente Kontrolle und Angst schüren, waren Mittel und Wege, um die Bevölkerung in Lenas Welt in Schach zu halten, leider ist uns das nicht unbekannt.
Was mir besonders gut an Delirium gefallen hat, war die wunderschöne Sprache. Keine Frage, Lauren Oliver ist eine sehr begabte Autorin. Es gab so einige Sätze in diesem Buch, die ich mehrmals gelesen habe, weil sie einfach so wunderschön, ja fast schon poetisch waren. Ebenfalls ein großes Lob für die authentisch wirkenden Auszüge aus dem Buch Shhh, die alles gut untermauert haben.
Doch besonders herausheben möchte ich Lauren Olivers Talent dazu, letzte Absätze zu schreiben. Mir ist es schon bei Before I fall aufgefallen, aber der letzte Absatz von Delirium ist einfach nur unglaublich gut geschrieben!
Wie man sehen kann, gibt es unwahrscheinlich viel zu dem Buch zu sagen, das positiv ist. Ich kann auch die Begeisterung vieler anderer Blogger verstehen. Delirium bietet einen sehr interessanten Ansatz. Eine Welt, die mir oft ein Gefühl des Unbehagens beschert hat, da sie unserer auf gewisse Weise ähnlich ist. Die Charaktere besitzen zum großen Teil Tiefe. Alex war mir von Anfang an sympathisch, da er eine Frohnatur ist. Lena macht eine so tolle Entwicklung durch, dass ich sie im zweiten Teil wahrscheinlich lieben werde.
Warum also bin ich nicht komplett begeistert und vergebe nicht die höchste Punktzahl?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen, da das Buch für mich zu lange gebraucht hat, um Spannung aufzubauen. Gerade zu Beginn plätschert die Handlung vor sich hin, den Fokus auf Lena gerichtet, die leider vor jeder gewichtigeren Handlung Angst zu haben scheint. Sie ist so unsicher und darum bemüht alles richtig zu machen (was alles ausbremst), dass ich mich auf den ersten 200 Seiten weder mit ihr noch dem Storyverlauf anfreunden konnte. Charaktere wie Hana, hätten dafür mehr Platz bekommen können, da ich sie durchaus interessant finde und mir da ein wenig mehr gewünscht hätte, gerade als Lena mehr aus sich hinauskommt. Ich hoffe auch, dass noch mehr zur Welt und der Hintergrundgeschichte kommen wird, was aber nicht unbedingt zwingend im ersten Band aufgerollt werden musste.
Fazit:
Trotz der Dinge, die mich gestört haben, ist Delirium ein gutes Buch, das sich zu lesen lohnt. Nach dem Ende des Buches kann ich nicht anders, als sehnsüchtig auf den zweiten Band zu warten. Dieser erscheint im nächsten Jahr unter dem Titel “Pandemonium”. Ich verspreche mir von ihm, dass er um einiges flotter wird, als Delirium, da es dann auch mehr zu Lena passen würde. Sollte der Storyaufbau also konsequenter und spannender gestaltet sein, steht einer vollen Punktzahl nichts im Wege. Im Fall von Delirium gibt es von mir aber für die ersten 200 Seiten, die mich kaum fesseln konnten und einige kleine Mankos, Punktabzug.