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Jarno, ein rastloser Underdog, küsst ein Dornröschen aus dem letzten Jahrhundert wach – und wird mit ihr in einen Strudel aus Liebe und Gefahr gezogen. Ein berührender Roman mit zwei Liebenden aus verschiedenen Zeiten, meisterhaft erzählt. Er war ihr in einer alten, mit Rosen überwucherten Villa begegnet – der geheimnisvollen Figur aus weißem Marmor. Und Jarno hatte sich tatsächlich beim Fotografieren der steinernen Schönheit ein bisschen in sie verliebt.
Wie verwirrt ist er nun, als nach seinem schüchternen Kuss eine lebendige junge Frau vor ihm steht, die weder elektrisches Licht noch zerrissene Jeans kennt und offenbar hundert Jahre geschlafen hat. Es beginnt eine märchenhafte Liebesgeschichte und gleichzeitig ein Spiel auf Leben und Tod. Denn Jarno ist kein Prinz – im wirklichen Leben steckt er tief in einem Sumpf aus Verbrechen ...
Der erste Satz:
Pisseflecken an grauer Betonwand.
Das sagt Lucy:
Als ich das erste Mal von diesem Buch hörte, hab ich einen Hüpfer gemacht vor Freude. Eine meiner liebsten, deutschen Autorinnen hat etwas über eines meiner liebsten Märchen geschrieben. Ich konnte es kaum fassen. Und ich musste diese Geschichte unbedingt lesen.
Die beiden Protagonisten sind unverkennbar Benkau-Charaktere und etwas ganz Eigenes. Da haben wir zum Einen unser "Dornröschen" Klara, ein junges Mädchen mit feministischen Zügen, das aus dem letzten Jahrhundert stammt, und sich nichts sehnlicher wünscht als Lehrerin zu werden und trotzdem heiraten zu dürfen. Und zum anderen Jarno, ein Typ, der laut Klara wie ein Pirat aussieht, der sich mit Minijobs durchkämpft und für seine Fotografie lebt. Auf einer seiner Foto-Erkundungstouren begegnet er auch der versteinerten Klara und ist sofort fasziniert von ihrer Perfektion. Immer wieder besucht er den Ort, an dem die Statue steht, und versucht dort das Foto zu schießen, das es ihm möglich machen könnte, den Fotowettbewerb mit dem Thema "Sehnsucht nach Wärme" zu gewinnen und damit den Durchbruch zum Profifotografen zu schaffen. Dass er sein steinernes Model dabei küsst, passiert eher zufällig, und dass er es dabei entzaubert, kapieren sie beide erst eine ganze Weile später.
Eine spannende Story mit Verfolgung, böser Zauberei und der Darstellung von einer Stadt zu zwei unterschiedlichen Zeiten beginnt. Und natürlich finden dabei auch Klara und Jarno ihren Weg zueinander. Nur ging mir das eindeutig zu flott. Ich hab mich zwar ein bisschen in jede der Szenen verliebt, in der sich die Zwei angenähert haben, aber den Übergang zwischen der Kennenlern- und der Ich-möchte-Sex-und-mehr-mit-dir-Phase habe ich nicht richtig gespürt. Noch dazu, wo beide zuvor noch Gefühle für jemand anderen hatten.
Auch die Nebencharaktere sind mir ans Herz gewachsen, sowohl Klaras niedliche beste Freundin, die ich mir ganz wunderbar als Lehrerin vorstellen konnte, als auch Jarnos toughe Mitbewohnerin Seval, die politisch interessiert ist und sich nicht nur dort für Schwächere einsetzt. Und auch die Antagonistin, eine Hexe namens Elise, ist eine interessante Figur. Schade fand ich nur, dass ihr Motiv nichts mit dem der Dunklen Fee aus dem Dornröschen-Märchen gemeinsam hatte.
Einer der Gründe, weshalb ich so gerne Bücher von Jennifer Benkau lese, ist ihre Art zu schreiben. Ich liebe den Benkau-Stil - direkt, frech, aber dennoch poetisch - und in diesem Buch wurde diesem noch ein ganz besonderes Detail hinzugefügt. Wir bekommen also nicht nur, wie wir es von Jenny sowieso schon gewohnt sind, die männliche und die weibliche Protagonistenstimme zu hören, sondern der Übergang zwischen Klaras und Jarnos Sicht ist bis zum "weckenden Kuss"-Moment sogar so fließend, dass es sich von Beginn an so anfühlt, als wären die beiden gedanklich und emotional miteinander verbunden. Der letzte Satz des Kapitels endet nämlich jeweils mit drei Pünktchen mitten im Satz und wird zu Beginn des neuen Kapitels mit dem zweiten Satzteil fortgeführt. Ich muss gestehen, dass ich es etwas schade fand, dass diese Konstruktion nicht bis zum Ende des Romans beibehalten wurde.
Insgesamt war Marmorkuss ein tolles Buch, aber mit dem Dornröschen-Märchen selbst hat es letztendlich sehr wenig zu tun - was ich persönlich ziemlich schade fand und zuvor gerne gewusst hätte. Bis zum Ende hin hatte ich nämlich noch gehofft, dass da noch mehr Elemente aus dem Originalmärchen auftauchen.
Fazit:
Für interessante Charakltere, die wie der direkte und poetische Schreibstil unvergleichbar Jenny-Benkau sind; für eine spannende Handlung, die mich eine Nacht durchlesen hat lassen; für den Bogen, der mit etwas Gesellschaftskritik und einer guten Prise Witz zwischen Damals und Heute geschlagen wurde; Punktabzug gibt es lediglich dafür, dass die Geschichte letztlich so gut wie nichts mit dem Dornröschen-Märchen zu tun hatte; das heißt, Marmorkuss bekommt von mir 5,5 Wombats.
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