Hallo liebe Blogger-Freunde! Heute öffnen wir schon das 16. Türchen! Um Himmels Willen, die Zeit vergeht! Seid ihr auch schon im Weihnachtsstress wie ich oder habt ihr eher eine ruhige Zeit? :)
Heute gibt´s wieder einen Post der Rubrik "Unbekannte Märchen".
Ich möchte euch gerne "Der Engel" von H.C.Andersen vorstellen. Ein wunderschönes Märchen aus Dänemark, in dem es um Blumen, Engel, Gott und Kinder geht.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Alles Liebe
Euer Jack
Der
Engel
Jedesmal,
wenn ein gutes Kind stirbt, kommt ein Engel Gottes zur Erde
hernieder, nimmt das tote Kind auf seine Arme, breitet die großen,
weißen Flügel aus und pflückt eine ganze Hand voll Blumen, welche
er zu Gott hinaufbringt, damit sie dort noch schöner als auf der
Erde blühen. Der liebe Gott drückt alle Blumen an sein Herz, aber
der Blume, welche ihm die liebste ist, giebt er einen Kuß, und dann
bekommt sie Stimme und kann in der großen Glückseligkeit mitsingen.
Sieh,
alles dieses erzählte ein Engel Gottes, indem er ein totes Kind zum
Himmel forttrug, und das Kind hörte wie im Traume; sie flogen über
die Stätten in der Heimat, wo der Kleine gespielt hatte und kamen
durch Gärten mit herrlichen Blumen.
»Welche
wollen wir nun mitnehmen und in dem Himmel pflanzen?« fragte der
Engel.
Da
stand ein schlanker, herrlicher Rosenstock, aber eine böse Hand
hatte den Stamm abgebrochen, sodaß alle Zweige, voll von großen,
halbaufgebrochenen Knospen, rundherum vertrocknet hingen.
»Der
arme Rosenstock!« sagte das Kind. »Nimm ihn, damit er oben bei Gott
zum Blühen kommen kann!«
Und
der Engel nahm ihn, küßte das Kind dafür, und der Kleine öffnete
seine Augen zur Hälfte. Sie pflückten von den reichen Prachtblumen,
nahmen aber auch die verachtete Butterblume und das wilde
Stiefmütterchen.
»Nun
haben wir Blumen!« sagte das Kind und der Engel nickte, aber er flog
noch nicht zu Gott empor. Es war Nacht und ganz still; sie blieben in
der großen Stadt und schwebten in einer der schmalen Gassen umher,
wo Haufen Stroh und Asche lagen; es war Umzug gewesen. Da lagen
Scherben von Tellern, Gipsstücke, Lumpen und alte Hutköpfe, was
alles nicht gut aussah.
Der
Engel zeigte in allen diesen Wirrwarr hinunter auf einige Scherben
eines Blumentopfes und auf einen Klumpen Erde, der da herausgefallen
war und von den Wurzeln einer großen, vertrockneten Feldblume,
welche nichts taugte und die man deshalb auf die Gasse geworfen
hatte, zusammengehalten wurde.
»Diese
nehmen wir mit!« sagte der Engel. »Ich werde Dir erzählen, während
wir fliegen!«
Sie
flogen und der Engel erzählte:
»Dort
unten in der schmalen Gasse, in dem niedrigen Keller, wohnte ein
armer, kranker Knabe. Von seiner Geburt an war er immer bettlägerig
gewesen; wenn es ihm am besten ging, konnte er auf Krücken die
kleine Stube ein paarmal auf und nieder gehen, das war alles. An
einigen Tagen im Sommer fielen die Sonnenstrahlen während einer
halben Stunde bis in den Keller hinab, und wenn der Knabe dasaß und
sich von der warmen Sonne bescheinen ließ und das rote Blut durch
seine feinen Finger sah, die er vor das Gesicht hielt, dann hieß es:
›Heute ist er aus gewesen!‹ Er kannte den Wald in seinem
herrlichen Frühjahrsgrün nur dadurch, daß ihm des Nachbars Sohn
den ersten Buchenzweig brachte, den
hielt
er über seinem Haupte und träumte dann unter Buchen zu sein, wo die
Sonne scheint und die Vögel singen. An einem Frühlingstage brachte
ihm des Nachbars Knabe auch Feldblumen, und unter diesen war zufällig
eine mit der Wurzel, deshalb wurde sie in einen Blumentopf gepflanzt
und am Bette neben das Fenster gestellt. Die Blume war mit einer
glücklichen Hand gepflanzt, sie wuchs, trieb neue Zweige und trug
jedes Jahr ihre Blumen; sie wurde des kranken Knaben herrlichster
Blumengarten, sein kleiner Schatz hier auf Erden; er begoß und
pflegte sie, und sorgte dafür, daß sie jeden Sonnenstrahl, bis zum
letzten, welcher durch das niedrige Fenster hinunterglitt, erhielt;
die Blume selbst verwuchs mit seinen Thränen, denn für ihn blühte
sie, verbreitete sie ihren Duft und erfreute das Auge; gegen sie
wendete er sich im Tode, da der Herr ihn rief. Ein Jahr ist er nun
bei Gott gewesen, ein Jahr hat die Blume vergessen im Fenster
gestanden und ist verdorrt und wurde deshalb beim Umziehen im
Kehricht hinaus auf die Straße geworfen. Und dies ist die Blume, die
arme vertrocknete Blume, welche wir mit in unsern Blumenstrauß
genommen haben, denn diese Blume hat mehr erfreut, als die reichste
Blume im Garten einer Königin!«
»Aber
woher weißt Du das alles?« fragte das Kind, welches der Engel gen
Himmel trug.
»Ich
weiß es,« sagte der Engel, »denn ich war selbst der kleine, kranke
Knabe, welcher auf Krücken ging; meine Blume kenne ich wohl!«
Das
Kind öffnete seine Augen ganz und sah in des Engels herrliches,
frohes Antlitz hinein, und im selben Augenblick befanden sie sich in
Gottes Himmel, wo Freude und Glückseligkeit war. Gott drückte das
tote Kind an sein Herz und da bekam es Schwingen, wie der andere
Engel und flog Hand in Hand mit ihm. Gott drückte alle Blumen an
sein Herz, aber die arme verdorrte Feldblume küßte er, und sie
erhielt Stimme und sang mit allen Engeln, welche Gott umschwebten,
einige ganz
nahe,
andere um diese herum in großen Kreisen und immer weiter fort, in
das Unendliche, aber alle gleich glücklich. Und alle sangen sie,
klein und groß, samt dem guten, gesegneten Kinde und der armen
Feldblume, welche verdorrt dagelegen, hingeworfen in den Kehricht des
Umziehtages, in der schmalen, dunkeln Gasse.
1 Kommentare:
:-) *youhavespreadasmile*
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